„Zurzeit nicht lieferbar“: Diese Aussage gilt in Deutschland in Apotheken immer häufiger für immer mehr Arzneimittel. Ist ein Medikament nicht lieferbar, bedeutet das eine große Unsicherheit für erkrankte Personen. Aber warum kommt es überhaupt zu Lieferengpässen? Wie entstehen diese? Welche Arzneimittelgruppen sind besonders betroffen? Was können Betroffene, Apotheker:innen und Mediziner:innen im Falle eines Engpasses tun? Wir haben die wichtigsten Informationen zum Thema Lieferengpässe von Arzneimitteln für Sie zusammengefasst.
Von einem Lieferengpass wird gesprochen, wenn ein Arzneimittel mindestens zwei Wochen nicht lieferbar ist. Seit 2013 werden Lieferengpässe von Pharmaunternehmen an das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet und öffentlich gelistet. Diese Selbstauskunft ist für die Unternehmen nicht gesetzlich vorgegeben, sondern geschieht im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung. Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlicht die Daten kurzfristig nach der Einsendung durch das jeweilige Unternehmen auf seiner Webseite. Die Hersteller von Arzneimitteln sind dazu angehalten, vorhersehbare Engpässe mindestens sechs Monate im Voraus zu melden. Damit soll gewährleistet werden, dass Apotheker:innen, Krankenhäuser und medizinisches Fachpersonal sich besser auf eventuell kommende Engpässe einstellen können.
Die Zahl der Meldungen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als versechsfacht. Während in 2015 insgesamt 40 Meldungen vorlagen, waren es 2019 schon 271. Die Tendenz ist weiter steigend. Die konkreten Gründe dafür, warum ein Medikament nicht lieferbar ist, sind vielfältig.
Für Erkrankte und Angehörige ist wichtig zu wissen: Ein Lieferengpass bei Arzneimitteln bedeutet nicht immer zwangsläufig auch einen Versorgungsengpass. Oftmals stehen Alternativen zur Verfügung, denn in vielen Fällen können Apotheker:innen zum Beispiel ein Generikum (Nachahmerpräparat), also ein Medikament mit demselben Wirkstoff, herausgeben. Im Zweifelsfall wird nach ärztlicher Rücksprache eine andere Therapiemöglichkeit, zum Beispiel ein anderer Wirkstoff, gefunden.
Engpässe in der Versorgung, bei denen auf dem deutschen Markt keine zugelassene Alternative erhältlich ist und es auch keine andere Therapiemöglichkeit gibt, sind in Deutschland bisher kaum vorgekommen. Sollte die Situation sich weiter verschlechtern, ist aber auch das in Zukunft nicht ausgeschlossen. Daher arbeiten Politiker:innen, Krankenkassen, Apothekerverbände, Mediziner:innen und Forschung an einer Lösung, die das Problem eindämmen soll.
Wie die Apotheke im Fall eines akuten Engpasses helfen kann, was Sie als betroffene Person tun können und viele weitere hilfreiche Tipps, fassen wir Ihnen am Ende dieses Beitrags noch einmal zusammen.
Als Generikum oder auch Nachahmerpräparat werden Arzneimittel bezeichnet, die in der Art und Dosierung des Wirkstoffs mit einem anderen Präparat übereinstimmen. Das Generikum kann sich im Hinblick auf die Hilfsstoffe und die Herstellungstechnologie vom Originalpräparat unterscheiden. Wirksamkeit und Sicherheit müssen in jedem Fall immer dem Originalprodukt entsprechen.
Der größte Teil der Arzneimittel, die immer wieder von Lieferengpässen betroffen sind, sind verschreibungspflichtig. Dazu gehören:
Auch bei der Herstellung von parenteral zu verabreichenden Arzneimitteln, z.B. Krebsmedikamenten, kommt es häufig zu Lieferengpässen, da die Produktion sehr komplex ist und sterile Herstellungsbedingungen erfordert. Hinzukommt, dass diese Medikamente teilweise nicht auf Vorrat produziert werden können.
*Stand: 13. Februar 2020.
Eine Hauptursache für Lieferengpässe ist die Marktverengung in den vergangenen Jahren aufgrund von entstandenem Kostendruck. Das ist speziell in Deutschland unter anderem auf die so genannten Rabattverträge zurückzuführen: Die Krankenkassen schreiben jedes Jahr Wirkstoffe aus und vergeben den Zuschlag an die günstigsten Anbieter. Hersteller von Arzneimitteln, die den Zuschlag nicht erhalten, stellen häufig aus wirtschaftlichen Gründen die Produktion ein. Dies führt dazu, dass viele Wirkstoffe nur noch von wenigen Unternehmen im Ausland produziert werden. Fällt dort die Produktion aus oder gibt es einen Rückruf können oftmals anderen Anbieter diesen Ausfall nicht abfangen. Dies wirkt sich konkret auf die weltweite Verfügbarkeit von Wirkstoffen und damit auf die Lieferfähigkeit der Medikamente aus.
Lieferengpässe von Arzneimitteln werden auch in Zukunft ein Problem bleiben, das Erkrankten, ärztlichem Fachpersonal und Apotheker:innen zu schaffen macht. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Möglichkeiten es im Falle eines Engpasses gibt und wie dem Problem vorgegriffen werden kann.
Wenn Sie regelmäßig Medikamente einnehmen, kümmern Sie sich möglichst frühzeitig um ihre Folgepackung. So bleibt Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin und der Apotheke im Fall eines Engpasses mehr Zeit, sich um eine passende Alternative für Sie zu kümmern.
Melden Sie den Lieferengpass Ihrer Krankenkasse.
Informieren Sie Politiker:innen in Ihrem örtlichen Wahlkreisbüro über die Missstände und machen Sie auf das Problem aufmerksam.
Ein wirkstoffgleiches Arzneimittel (Generikum) empfehlen, sofern dieses verfügbar ist.
Auf alternative Dosierungen ausweichen, sofern dies pharmazeutisch vertretbar ist. So kann zum Beispiel eine verschriebene Ibuprofen 800 mg Tablette durch zwei Ibuprofen 400 mg Tabletten ersetzt werden.
Die zuständige ärztliche Fachperson bezüglich eines Rezeptes für einen anderen Wirkstoff kontaktieren, sofern dieser verfügbar und pharmazeutisch angezeigt ist.
Die erkrankte Person über die Situation aufklären und sie individuell und persönlich dazu beraten.
Beim Großhandel oder dem pharmazeutischen Hersteller erkundigen, ab wann das Arzneimittel wieder lieferbar ist.
Die immer häufiger auftretenden Lieferengpässe von Arzneimitteln sind längst ein politisches Thema geworden. In der Debatte um eine Lösung des Problems wurden bereits viele Ansätze und Ideen genannt. Eine Möglichkeit ist die Einführung einer Meldepflicht von Engpässen. Außerdem wird gefordert, Anreize zu schaffen, damit die Produktion von Medikamenten aus dem asiatischen Markt wieder nach Europa verlagert wird. Ein weiterer Ansatz wäre die Verpflichtung der Gesetzlichen Krankenkassen, bei Rabattvertragsausschreibungen in Zukunft mindestens drei unterschiedliche Hersteller zu berücksichtigen.
Krankenkassen und Gesundheitspolitiker:innen stehen einer Änderung des Systems der Rabattverträge allerdings kritisch gegenüber.
Lieferengpässe sind ein Problem, da diese vor allem Personen mit chronischen Erkrankungen betreffen. Wenn ein Medikament nicht lieferbar ist und auch kein Nachahmerpräparat zur Verfügung steht, bleibt der betroffenen Person nichts anderes übrig, als sich ärztlichen Rat einzuholen oder mit Apotheker:innen eine alternative Behandlungsmöglichkeit zu besprechen. Das bedeutet eine große Unsicherheit. Eine politische Lösung ist in Arbeit. Bis diese beschlossen wird, bleibt Mediziner:innen und Apotheken nichts anderes übrig, als – im Rahmen ihrer aktuellen Möglichkeiten – gemeinsam individuell die beste Lösung für ihre Patientinnen und Patienten zu finden.